Sonntag Morgen. Lange ausgeschlafen und tiefenentspannt sitze ich am Frühstückstisch. Brötchen, leckere Marmelade, golden glänzender Honig, der vom Löffel laufend kringelige Muster auf meine buttrige Brötchenhälfte malt. Die Sonne scheint, meine Frau, die Kinder, alle haben sich um den Tisch versammelt, die Zeichen stehen auf „das wird ein toller Tag“.
Es klingelt. Das Festnetz. Blöd, darauf habe ich jetzt gar keine Lust. Und obwohl ich schon sehe, dass die Nummer unterdrückt ist, gehe ich ran. Es wird sich herausstellen, dass dies ein Fehler ist.
„Hallo, hier ist XY von der Firma Microsoft, wir haben bemerkt, dass auf Ihrem Rechner ein Problem aufgetreten ist und möchten diesen gerne mit Ihnen gemeinsam beheben“. So ähnlich war der Wortlaut eines englischsprachigen Menschen mit asiatischem Zungenschlag, der mir seine uneigennützige Hilfe versprach. Ich konnte ihn erst kaum verstehen und dann das Gesagte kaum glauben. Bis ich realisierte: Hier bahnt sich gerade ein Betrugsversuch an! Mit mir! Das Brötchen in meinem Magen verwandelte sich kurz in einen Stein. Nach dem ersten Schreck konnte ich die Situation einordnen und nach einer kurzen Konversation beendete ich das Gespräch. Ich legte auf.
Der Druck wird erhöht
Damit dachte ich sei das Thema erledigt. Mitnichten. Denn „Microsoft“ nutzte die zweite Eskalationsstufe um Nachdruck zu verleihen. Nach 10 Minuten klingelte es erneut. Jetzt war ich vorbereitet und es trieb mich eine gewisse Neugier ans Telefon. Ich war gespannt was nun kommen sollte. Es war ein anderer Anrufer. Forscher Tonfall. Entrüstet und gleichzeitig fordernd monierte er, wieso ich einfach das Gespräch mit seinem Kollegen beendet hätte. Das sei absolut unverschämt zumal mir doch Hilfe angeboten worden war und außer Microsoft könne mir doch niemand helfen, ich soll jetzt endlich seinen Anweisungen folgen! Er baute mächtig Druck auf und ich konnte am eigenen Leib nachvollziehen, dass arglose Menschen dieses Auftreten beeindruckt und diesem verbal ausgeführten Stress nicht widerstehen können. Ich konnte nach dem ersten Schreckmoment diesem Anruf entspannt entgegen sehen, da ich zum Glück die Betrugsmasche erkannte. Tatsächlich warne ich meine Kunden vor genau diesen Tricks. Ihnen persönlich konfrontiert zu sein, war allerdings eine besondere Erfahrung. Natürlich bin ich den Anweisungen nicht gefolgt. Wenn doch, was wäre passiert? Statt meinen Rechner zu bereinigen, wäre Software aufgespielt worden, die alle Dateien oder gleich meinen kompletten PC gesperrt hätte. Der fürsorgliche „Microsoft“-Anrufer hätte sich als Erpresser gezeigt. Und dann hätte ich wirklich ein Problem gehabt, denn die Alternativen sind einige hundert Euro zu zahlen oder den PC und alles was darauf gespeichert ist, aufzugeben. Überlegen Sie mal, was das in Ihrem Fall wäre: Urlaubserinnerungen, Hochzeitsfotos, Bewerbungsschreiben, Hausbaupläne, also sehr viel, was Ihnen am Herzen liegt oder beruflich extrem wichtig ist und auf was Sie kaum verzichten wollen oder können. Wie würden Sie dann entscheiden? (insbesondere wenn Sie kein Backup haben, aber das ist ein separates Thema)
Vorsicht bei Emotionen!
Der geschilderte Anruf folgt übrigens einem Muster, das allen betrügerischen Maschen gemeinsam ist: Sie zielen auf Ihre Emotionen! Letzte Mahnung? Post vom Anwalt? Das Inkasso-Unternehmen droht? Solche Nachrichten beunruhigen uns auf der Stelle und um alle Zweifel zu beseitigen, klicken wir schnell auf den verhängnisvollen Link in der Mail. Aber auch die positiven Emotionen bergen Gefahren. Das Versprechen auf ein super lustiges Video macht arglos. Daher rate ich Ihnen: Bleiben Sie wachsam und umschiffen Sie solche Bedrohungen. Wissen schützt Sie vor Betrug!
Wie das Telefonat ausgegangen ist? Ich sagte dem Anrufer, dass ich IT-Experte bin und weiß, wie mein Laden läuft. Diesmal hat er aufgelegt.
So erlebt von Jens Vanicek, Geschäftsführer ALL4NET.